Jetzt sind die Frauen dran: Feminismus im Musikbusiness 

OpinionsJetzt sind die Frauen dran: Feminismus im Musikbusiness 

Wie erfolgreich sind Frauen in der Musikwelt und haben sie die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen?

Jetzt sind die Frauen dran: Feminismus im Musikbusiness Foto: <span style="background-color:rgba(255,255,255,0.65);color:rgb(0,0,0);font-size:9px;"><strong>Theo Gosselin</strong></span>

Ein paar Zahlen und Fakten

Feist, Anja Schneider, Nora En Pure, Peggy Gou oder BLOND:ISH – kennt und hört Ihr alle bei Beats Radio. Beim Blick in unser Programm und auch bei einem oberflächlichen Blick auf die derzeitigen Charts, kann man den Eindruck bekommen, dass Frauen mittlerweile in der Mitte des Musikbusiness angekommen sind. Wie so oft täuscht dieser Eindruck allerdings: Zwischen 2012 und 2019 stammen zum Beispiel nur 21,7% der 800 populärsten Stücke in den US-Charts von Frauen und nur 12,5% der Songwriter und Songwriterinnen waren weiblich. Laut einer Erhebung der University of Southern California gingen zwischen 2013 und 2020 gerade einmal 143 von 1220 Grammy-Nominierungen an weibliche Künstlerinnen. Gerade auch im Bereich der elektronischen Musik kommen Frauen noch zu kurz. Wenn Ihr an Musikerinnen denkt, kommen Euch doch bestimmt als erstes Sängerinnen in den Sinn, oder? Aber was ist mit all den anderen Instrumenten, so wie Schlagzeug oder Bass? Was ist mit Frauen hinterm Mischpult? Und was ist mit Frauen hinter der Bühne sowie Tontechnikerinnen oder Managerinnen?

L'Impératrice
Foto: Emma Birsk

 

Erfahrungen der Sängerin Flore Benguigui

Egal ob #Metoo*1 oder die große Debatte zum Gendern im Sprachgebrauch*2: Diskussionen zum Feminismus und die Gleichberechtigung von Frauen sind zum Glück längst salonfähig geworden. Frauen schließen sich zusammen und gehen auf die Straße, Organisationen setzten sich für die Stärkung des weiblichen Geschlechts ein und auch Künstlerinnen und Künstler machen auf verschiedenste Weisen auf das Thema aufmerksam. Auch bei Beats Radio findet Ihr verschiedene Künstlerinnen, die bei diesem Thema nicht leise sein können und besonders für die Rechte von Musikerinnen einstehen. Ein Beispiel dafür ist die französische Band L'Impératrice. Der Name allein sagt eigentlich schon alles: Die Kaiserin. Ihre Sängerin Flore Benguigui ist schon lange als Feministin tätig und brachte das Thema mit in die Musik der Gruppe. „Das ist eine Industrie, die zu gut 90% aus Männern besteht. Für Frauen wie mich ist es meistens schwieriger“, berichtete die Sängerin gegenüber der englischen Musikzeitschrift NME. In der Musikbranche wurde ihr und anderen Frauen häufig gesagt, wie sie zu sein hat, wie ihre Stimme am besten ankommt oder auch, wie sie sich am besten auf der Bühne verhält und wie die richtige Performance einer Frau auszusehen hat. Diese Anregungen kamen meist, wer hätte es gedacht, von Männern.

Irgendwann wurde es der Band zu bunt und sie entschieden, dass es Zeit sei, ein musikalisches, politisches Zeichen zu setzen. Seitdem greifen sie immer wieder Sexismus in ihren Texten und Musikvideos auf und das beinahe schon auf eine wirklich radikale Art und Weise. Ihre Art, das Thema aufzugreifen, steht dabei im extremen Kontrast zu den lockeren und leichten Melodien, die sie gleichzeitig vermitteln: Ihre etwas trotzige Antwort auf die Welt der alten weißen Männer war das Album „Tako Tsubo“. Im Video zum Track „Peur des filles“ präsentiert die Gruppe eine vernichtende Parodie auf Frauenfeindlichkeit in dem Weltbild der 60er-Jahre. Während hier der musikalische Part des Tracks ein lockerleichtes Sommerfeeling übermittelt, sieht man im Video eine Frau, wie sie sich an Männern mit einem Messer rächt und ihre Leichen zu ihrer Musik tanzen lässt. Im Video sagt die Frau den Männern, wie sie zu tanzen und sich zu präsentieren haben.

Seht selbst:
https://youtu.be/VUH-z_SBlj0

 

Das Frauenmusikzentrum in Hamburg

Neben erfolgreichen Musikerinnen gibt es auch viele Frauen, die im Kleineren versuchen, etwas zu bewegen. Zum Beispiel das Frauenmusikzentrum in Hamburg. „Frauen sind im Musikbereich leider noch immer unterrepräsentiert. Das sieht man, wenn man auf die großen Bühnen blickt, vor allem aber auch hinter den Bühnen. Es gibt zum Beispiel immer noch wenige Tontechnikerinnen, auch wenn es sich in den letzten Jahren gebessert hat“, erzählte uns Sarah Höfling vom Frauenmusikzentrum Ottensen. Bereits seit 35 Jahren versuchen die Frauen im Hamburger Stadtteil Ottensen jungen Mädchen auf ihrem Weg in die Musikbranche zu helfen. Sie bieten nicht nur geschützte Proberäume an, in denen die Musikerinnen ganz für sich sind und eine Gemeinschaft mit derselben Gesinnung finden können, sondern auch Workshops in verschiedensten Bereichen: „Wir veranstalten Workshops von Songwriting bis hin zu Technik- oder GEMA-Workshops.“ In den Proberäumen haben die Frauen außerdem die Möglichkeit, sich an Neuem auszuprobieren. „Wir haben fünf Probenräume, die voll ausgestattet sind: mit Instrumenten, Verstärker und Mischpult. Es gibt zwei große Probenräume, die auch für Bandproben geeignet sind und drei kleinere Räume, die sich zum Unterrichten und für Einzelproben eignen“, erklärt uns Sarah Höfling.

In erster Linie geht es all diesen Projekten und Aktivistinnen doch um Eines: Frauen und vor allem auch junge Mädchen sollen das Selbstbewusstsein vermittelt bekommen, auf die Bühne zu treten und das zu sein, was sie sein wollen. Sie sollen die gleichen Chancen haben wie ihre männlichen Kollegen und nicht nur aufgrund ihres Geschlechts belächelt werden.

Was sagt Ihr zu diesem Thema? Denkt Ihr eine Musikbranche auf Augenhöhe ist gar nicht mehr so weit entfernt oder gibt es noch einiges zu tun?

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*1 Eine Bewegung, die Frauen darin ermutigen möchte, mit ihren Erfahrungen der sexuellen Belästigung an die Öffentlichkeit zu treten.

*2Das Anpassen von Wörtern an das männliche und weibliche Geschlecht. Damit soll auch das weibliche Geschlecht im Sprachgebrauch mehr miteinbezogen werden. Beispiel: Musiker*innen

Alena Kohler / 27.06.2023

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