Von Ihnen stammen Melodien, die die ganze Welt sofort erkennt. Beats Radio im Gespräch mit Arno Kammermeier von Booka Shade.
Von Ihnen stammen Melodien, die die ganze Welt sofort erkennt. Beats Radio im Gespräch mit Arno Kammermeier von Booka Shade.
Ich sitze im Studio. Draußen ist alles ziemlich grau, trist und nass. Die Stimmung bei mir ist trotzdem ganz gut, denn ich spreche gleich mit Arno Kammermeier von dem legendären Duo Booka Shade. Zur Einstimmung habe ich ein paar ihrer Tracks gehört und mir damit die bei diesem Wetter nötige gute Laune und den Sommer geholt. Ich starte also den Call und schon taucht das Gesicht von Arno auf. Er trägt einen Sonnenhut, hat ein buntes Glas in der Hand und versprüht gute Laune. Ein bisschen wie seine Musik.
Den neuen Track von Booka Shade und Satin Jackets "Fusion Royal" hört ihr seit dem 09. Mai 2023 schon drei Tage vor dem eigentlichen Release exklusiv bei Beats Radio!
Die neue EP von Booka Shade: "Ciculate"
Label: Blaufield Music
Release Date: 28. April2023
Genre: Melodic house
Beats Radio: Hi Arno! Wie toll, dass das klappt. Alles gut bei dir?
Booka Shade (Arno): Alles super! Ich wohne ja teilweise in Frankreich und pendel immer zwischen Frankreich und Deutschland. Ich bin gestern zurückgekommen und dann gibt es immer einiges zu tun. Das Unkraut im Garten wächst, ich sags dir.
Wie war denn dann die Geschichte von dem unterschätzten Track Body Language?
Das war für uns im Grunde eine B Seite. Das war nur noch kurz ein extra Track, den wir für eine Compilation gemacht haben. Die hieß auch Body Language und dazu brauchten M.A.N.D.Y. noch einen Song. Wir haben also schnell was zusammengezimmert. Der Song war nicht direkt ein Hit. Es hat ein Jahr gedauert, bis er sich über Ibiza entfaltet hat.
Bald kommt ja auch der Remix von JOPLYN zu eurem Welthit raus. Wie kam es denn dazu?
Mit JOPLYN sind wir schon lange verbandelt. Wir haben sie schon als Jugendliche mitbekommen und ihr Manager hat uns immer wieder Sachen vorgespielt, die uns einfach begeistert haben. Wir haben gemerkt, sie hat den Elan und das Talent. Ihre Kreativität ist aber noch umfangreicher, sie war immer sehr kreativ auch was Videos und Social Media angegangen ist. Deshalb haben wir gesagt, wir helfen ihr den Start zu finden und haben mit ihr ihre erste Single gemacht. Von da an ging die Zusammenarbeit immer weiter. So kam es jetzt, dass sie eben die Body Language Bassline genommen hat und ihren ganz eigenen Song daraus gemacht hat.
Auf eurem Ex-Label Get Physical wurde vor kurzen ja auch nochmal die orginal Version veröffentlicht, wieso denn das?
*lacht* Ja das sind immer die Geschichten. Die orginal Version von Body Language war lange nicht zum streamen erhältlich. Das ist uns irgendwann mal aufgefallen, dass unser größter Song, also die original Clubversion nur auf Compelations zu hören war. Dann haben wir gesagt, es wäre doch eigentlich ganz gut, wenn das bei uns selbst rauskommen würde. Wir haben also mit M.A.N.D.Y. gesprochen und waren uns einig, dass es nochmal auf dem original Label Get Physical erscheinen soll.
Das kann ich mir vorstellen *lacht* Dann starten wir?
Auf gehts! Wenn du eure Musik in einfachen Worten beschreiben müsstest, wie klingt sie?
Ich glaube, was die Leute gerne mit Booka Shade verbinden, ist elektronische Musik, die das Gefühl des Clubs ins Wohnzimmer holt. Das war zumindest Feedback, das wir besonders oft gehört haben. Gerade zu unserem Album Movements, das hat diesen Sound damals gegründet. Der Club im Herzen.
Eure Musik zeichnen ja die besonderen Melodien und Bassline aus. Denken wir nur an Body Language, diese Melodie kennt vermutlich jeder. War das euer Ziel, so etwas eingängiges zu erschaffen oder hat sich das zufällig ergeben?
Das hat sich ergeben. Wenn wir die Geschichten zu unseren Songs erzählen, glaubt uns das immer kein Mensch. Wir sind wohl unsere schlechtesten A&Rs. Das sind die Leute bei den Plattenfirmen, die mit entscheiden, welcher Song rauskommt und einem Tipps geben. Wir erkennen oft die richtigen Hits von uns nicht. Gerade auch unsere bekanntesten Hits, wie Body Language zum Beispiel. Der Track mit der Bassline, die doch mehrfach um die Welt gegangen ist und gecovert wurde.
Als können wir den Track jetzt wieder streamen…
Man kann ihn wieder streamen, guten Gewissens, dass die 3 Cent beim richtigen Label und Künstler ankommen.
Wenn wir schon bei diesen 3 Cent sind. Wie steht ihr denn zum Streaming? Kann man mit Musik noch Geld verdienen?
Wenn man es richtig anstellt und sein eigenes Label aufbaut, was man im Grunde heutzutage machen muss, ist es nicht so schlimm. Man braucht eine Art 360 Grad Konzept: Man ist der schreibende Künstler, der Künstler, der auf der Bühne steht, das Label und hat Teile des Verlags.
Also seit ihr Pro-Streaming?
Wir haben uns immer über die Leute aufgeregt, die sich über das Streaming beschweren. Das sind meistens die Leute, die bei Soundcloud völlig um sonst ihre Musik hochgeladen haben. Das haben wir zum Beispiel nie gemacht. Wir haben schon immer gesagt, es sollte einen bestimmten Gegenwert geben. Man kann das Rad nicht zurück drehen und muss sehen, wie man am besten damit arbeitet.
Ist die Arbeit auf diese Weise dann leichter oder schwerer für euch geworden?
Uns kommt es entgegen. Wir kommen aus einer Zeit, die aus dem Rock ‘n’ Roll Release kommt. Man arbeitet also jahrelang an einem Album, vorher kommt vielleicht noch eine Single, dann das Album, dann noch weitere Singles. Dann war die Geschichte vorbei und man ist auf Tour gegangen und schließlich ging das Ganze wieder von vorne los. Heute ist das anders, man bringt eigentlich ständig Neues raus. Heute ist das Album am Ende also eher eine Compilation mit den bereits veröffentlichten Songs.
Wie findet ihr die Veränderung?
Wir finden das gut, unser Arbeitsrhythmus war schon immer so. Wir arbeiten immer an Musik und touren auch immer. Wir checken bei den Livesongs ständig Songs aus und wenn es fertig ist, kommt es raus. Früher haben wir teilweise 1,5 Jahre an etwas gearbeitet und waren dann total verunsichert, weil schon wieder neue Ideen kamen und man hätte eigentlich wieder neu anfangen müssen.
Mal abgesehen vom Business selbst, wie findest du, hat sich denn die elektronische Musik vom Sound her in den letzten Jahren gewandelt?
Lustigerweise, wenn ich mir meinen Sohn anschaue: Der ist 23 Jahre alt und mittendrin im Clubleben, da helfe ich auch ständig, dass er auf den Gästelisten steht. Der steht sehr auf den gerade aktuellen, schnellen Techno-Sound. Also nicht den darken Sound, der ist schon auch sehr uplifting,bei 150 bpm! Das erinnert mich an die Jahre 92 oder 93, da war sehr schnelle Trancemusik beliebt. Das waren 130 oder 135 bpm. Wenn ich mir das heute anschaue, frage ich mich, wie haben wir damals dazu getanzt?
Und warum kommt das jetzt zurück?
Ich kann super verstehen, warum die jungen Leute gerade so einen Sound haben wollen, um sich den Kopf abzuschrauben. Nach der Pandemie mit der sie Jahre ihres Lebens verloren haben. Das muss jetzt alles wieder aufgeholt werden und zwar sehr schnell, eben wie die Musik.
Wie seid ihr als Booka Shade mit diesen Veränderungen im Sound umgegangen?
Wir haben so viele Trends erlebt und Wellen sind über uns hinweg. Booka Shade ist aber immer noch Booka Shade und wir machen was uns gefällt. Ab und an passt es eben sehr gut in die Zeit, manchmal fühlt man sich dann außenvor. Aber da merke ich dann, dass es den Leuten, die zu unseren Shows kommen gerade genauso geht. Da sind wir schon stolz drauf, dass wir irgendwie ein kleiner Teil des ganzen Sounds geworden sind.
Wenn du zurück blickst, hattest du einen Gig, bei dem du sagen würdest, wow den würde ich gerne nochmal erleben?
Also ich habe natürlich das Glück, einen Job zu haben, der mich erfüllt und bei dem ich viele tolle Shows erleben durfte. Es gibt natürlich herausragende Abende, wie die erste Show beim Sónar 2005. Das war für uns ein Durchstarter, bei dem viele auf uns aufmerksam wurden. Mit Sicherheit aber auch unser erstes Festival, das war irgendwo in Schottland, da haben wir mitbekommen, wie so eine Festival Crowd funktioniert. Das war lustig, wir haben gespielt und die Leute haben uns angeschrien. Wir kamen dann von der Bühne und sagten zu dem Stagemanager “Das tut uns leid, das hat denen ja gar nicht gefallen” und der war nur, wie meint ihr das? Die waren begeistert. Wir kannten diese unglaubliche Energie von Festivals einfach gar nicht. Ach es gab so viele sehr schöne Shows.
Seit gestern läuft ja euer neuer Track Fusion Royal mit Satin Jackets exklusiv drei Tage vor Veröffentlichung bei Beats Radio. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Satin Jackets wurde uns eigentlich durch Walters (Walter Merziger, der zweite Teil von Booka Shade) Freundin näher gebracht. Die hat seinen Sound gerne gehört. Dann haben wir Satin Jackets für einen Remix zu Memories angefragt und das war ein ganz fantastischer Remix. Seitdem waren wir dann im Kontakt und jetzt Fusion Royal. Der Track kombiniert seinen typischen Sound mit ganz viel Booka Shade. Ein Track, der Sommerstimmung macht.
Dieses Jahr ist ja auch ein ganz besonderes für Booka Shade...
Wir feiern dieses Jahr 20 Jahre Booka Shade. Ab der Zeit bei dem Label Get Physical. Also 20 Jahre, wenn man die ersten Releases in den 90ern weglässt. 2003 kamen die ersten Booka Shade Singles bei Get Physical heraus und das feiern wir dieses Jahr mit einigen Remixen, unter anderem von Joachim Pastor, 8Kays und Nils Hoffmann. Viele Leute, die uns nahe stehen, mit denen wir zusammen spielen oder zusammen gearbeitet haben, haben die Remixe gemacht. In drei Wochen kommen dann die Singles nach und nach raus und dann gibt es Ende Juli eine 20 Jahre Booka Shade Compilation. Dazu gibt es das ganze Jahr über spezielle Shows. In London und Zürich waren wir schon, es folgen Wien, Berlin, die USA und Australien.
Wie viele Synthesizer haben sich in den vergangenen 20 Jahren bei euch angesammelt?
Von vielen haben wir uns auch wieder verabschiedet. Wir haben schon früh gemerkt, das wir auch unterwegs im Laptop arbeiten können. Wir mögen es nicht, wenn man reist und nichts macht. Oft kommen die Inspirationen ja auch zwischendurch, auch mal nach einer Show Nachts. Da ist dann plötzlich die Idee da und man will sie festhalten. Für uns ist der Laptop also ein Segen. Wir haben zwar noch einiges an Equipment, einiges auch noch aus den 90ern.
In einem Satz, was ist Musik für dich?
Puh da müsste man eigentlich ausschweifen, aber eigentlich ist Musik Leben. Mein Leben und das, was seit fast 40 Jahren meinen Partner Walter und mich verbindet. Wir haben uns in der Schule kennengelernt und trotz vieler Tiefs und auch unglaublicher Höhen haben wir immer noch die gleichen Ziele und Vorstellungen verbunden durch die Musik. Also kurz: Musik ist Leben.
(11.05.2023)